Der deutsche Psychologie Rudolf Sponsel meint, jeder Mensch sei seiner Natur nach spirituell (geistig), sofern er Sinn und Wert sucht. Spiritualität ist weder eine eigentlich esoterische noch religiöse Praktik, sondern eine grundlegende Praktik des Menschseins.[1] Sponsel definiert Spiritualität als mehr oder minder bewusste Beschäftigung mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, der Welt und der Menschen und besonders der eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben.[2]
Spirituelle Bedürfnisse sind gemüthafte Bedürfnisse, das Verlangen nach Sinn, Ziel, Halt, Ordnung, Trost, Mut im Leben. Die Antwort auf diese Bedürfnisse kann gleichermaßen religiös wie nicht-religiös sein. Gelebte und erlebte Spiritualität führt zur Erfahrung geistig-emotionaler Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Verantwortung, Sorge für andere, Geduld, Toleranz, Demut, Vergebung, Zufriedenheit, Harmonie. Diese Aspekte des Lebens gehen über Materielles hinaus, ohne zwingend einen Glauben an ein übernatürliches, höheres Wesen vorauszusetzen.[3] Nicht jeder Sinnsucher ist automatisch schon ein Gottsucher.
Spiritualität in der FMei kann, aber muss in keiner Weise religiös oder esoterisch verstanden werden. Die Beschäftigung mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, der Welt und der Menschen und besonders der eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben sind grundlegende Elemente des freimaurerischen Weges des Erkenne dich selbst, beherrsche dich selbst, veredle dich selbst, den die Brr... mit Weisheit, Stärke und Schönheit zurücklegen.
Unser Ritual setzt den Rahmen und gibt immer wieder neue Impulse, die im Profanen weiterwirken und so die geistige Offenheit der Brr... fördern sollen. Die rituelle Arbeit im Tempel soll Bewusstsein, Empfindung und Gemüt der Brr... öffnen.
In den Graden des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters wird diese Offenheit maximal unterstützt, wenn die Aufträge lauten: schau in dich, schau um dich, schau über dich. Die Reflexion eines Br... FM soll sich mit Sinn- und Wertfragen und mit der Welt und den Mitmenschen beschäftigen. Im Zentrum dieser Reflexion steht besonders die eigene Existenz, die Selbstverwirklichung im eigenen Leben sowie die Auseinandersetzung mit dem Tod.
Das Ritual konfrontiert den Br... FM mit Weisheit, Stärke und Schönheit als Gestaltungsprinzipien des Lebens. Allerdings fallen diese Prinzipien dem Br... FM nicht zu, sie müssen erarbeitet werden.
Weisheit meint wertbezogene Vernunft, intellektuelle Klarheit, Redlichkeit der geistigen Vermittlung, Reflektiertheit, skeptisches Hinterfragen, Erkennen der eigenen Grenzen, Bescheidenheit
Stärke bedeutet Tatkraft, das konstruktive Vermögen, Ideen umzusetzen, denn Weisheit allein genügt nicht, man muss auch tun. (Es gibt nichts Gutes außer man tut es, Erich Kästner).
Schönheit ist unverzichtbar als Prinzip der FMei; sie ist Maßstab für unser Tun, die Brüderlichkeit. Schönheit reicht von der Schönheit der Symbole und des Rituals über die Musik im Tempel bis in unser tägliches Leben, in dem sich die Freimaurerei, die Königliche Kunst als Lebenskunst manifestieren soll.
[1] http://www.sgipt.org/wisms/gb/spirit0.htm, Zugriff 29.09.2019, 14.40 Uhr
[2] http://www.sgipt.org/wisms/gb/spirit0.htm#Definitionsvorschlag%20Spiritualit%C3%A4t, Zugriff 29.09.2019, 14.45 Uhr
[3] Vgl.: Comte Sponville A.: Woran glaubt ein Atheist?: Spiritualität ohne Gott