Was FMei nicht ist

Meine Brr..., es fällt mir schwer zu definieren, was FM ist. Sicher gibt es die bekannte Selbstdefinition in unserem Aufnahmeritual … ist eine ethisch-humanitäre Gemeinschaft freier Männer… (Ritual der Aufnahme, Eintritt der Suchenden); dennoch schränkt gerade das Aufnahmeritual selbst ein …denn die Freimaurerei selbst ist ein Geheimnis, das weder verraten, noch mitgeteilt werden kann, sondern das geahnt, gefühlt und von jedem Freimaurer selbst gefunden und erlebt werden muss (Ritual der Aufnahme). Auch wenn es in den Alten Pflichten und in unserer Konstitution eine Reihe von Aussagen gibt, die als solche Defintionen gelten können, beharren gerade die einzelnen Brr... in der Regel strikt auf der individuellen Deutungshoheit bezüglich dessen, was unter FM zu verstehen ist. Ich möchte daher den Versuch einer negativen Abgrenzung in drei Thesen versuchen.

FM versteht sich weder als Partei noch als Interessenverband

Unsere LL und die GL haben kein gemeinsames politisches Programm und nehmen auch an politischen Diskussionen nicht teil; der Einladung zur Teilnahme am Verfassungskonvent vor einigen Jahren, hat die GL nicht Folge geleistet. Als „Gemeinschaft toleranter Ungleichgesinnter“ will sie einen Beitrag zur Überwindung der schädlichen Auswirkungen politischer Konflikte zwischen Menschen, politischen Gruppen und Nationen leisten, gemäß ihres Bekenntnisses zur Toleranz zielt sie darauf ab, die politische Kultur im Sinne der Etablierung einer produktiven „Streitkultur“ zu verbessern, und durch das Erörtern wichtiger Zeitfragen in den Logen will sie zur politischen Urteilsbildung ihrer Mitglieder beitragen. Auf der Grundlage persönlicher Überzeugung verantwortlich zu handeln, ist dann Aufgabe des einzelnen Freimaurers.

FM versteht sich weder als Ersatzreligion noch als Nebenkirche

Logen und Großlogen sind diesseitsorientierte Freundschaftsbünde mit ethischer Zielsetzung. Sie stimmen darin überein, dass sie weder Ersatzkirche noch Religion sind. Trotz des Symbols des ABAW entwickelt die FM keine Theologie, sie hat weder Stifter oder Erlöser, Sakramente, die – ex opere operato – auf magische Weise eine Veränderung des Gläubigen bewirken kennt sie nicht. Die FM ist kein Heilsweg sondern ein Weg zur Bewährung im hier und jetzt, ein Weg – es gibt viele andere. Die FM gibt dem Br... Werkzeuge in die Hand, die ihn über Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung zur Selbstveredlung führen sollen. Die Gleichzeitigkeit des Respekts vor Religion und des Verzichts auf Nachahmung von Religion und/oder Einmischung in Religionkann die Loge zu einer Gemeinschaft machen, in der sich gläubige Menschen ganz verschiedener Religionen mit religiös skeptischen Menschen auf der Grundlage verpflichtender Werte freundschaftlich miteinander verbinden.

FM versteht sich weder als Geheimbund noch als Verschwörung

Die Großloge fordert von den Mitgliedern der LL das Bekenntnis zur Demokratie und zum Staat in dem diese leben. Der Verein macht es seinen Mitgliedern zur Pflicht, die Landesgesetze zu beobachten. (Satzung der GLvÖ), … Befolgung der Landesgesetze… (Ritual der Rezeption, erste Reise). Viele Brr... haben zur Verwirklichung von Demokratie und offener Gesellschaft beigetragen. Die Organe der Großloge und der „Deckungsvereine“ sind im Vereinsregister zu finden, die GLvÖ steht im Telefonbuch. Die Arkandisziplin bezieht sich ausschließlich auf die Rituale und Symbole, also Einzelheiten des maurerischen Brauchtums, das durchaus auch im Internet oder einschlägigen Publikationen nachzulesen ist. Die in der FM geübte Verschwiegenheit steht als Symbol für den in jeder Gemeinschaft notwendigen Schutz von Freundschaft und persönlichem Vertrauen. Ausdrücklich verboten ist es, die Deckung des einzelnen Br... zu verletzen.

Mit irgendeiner Art von Verschwörung hat Freimaurerei nichts zu tun, FM ist nicht geheim, FM ist privat, denn wer sich ernstlich vornimmt, an sich selbst zu arbeiten, kann das nicht vor Publikum tun, sei dieses auch noch so wohlgesinnt. In einer Zeit, in der die Privatsphäre immer weniger gilt, der einzelne Mensch immer mehr und mehr vernetzt ist und von außen manipuliert wird, erscheint mir gerade dieser letzte kleine Rest von Privatheit durchaus wertvoll zu sein.

Schönheit vollende den Bau

„Schönheit vollende ihn, den Bau“ – unzählige Male haben wir diesen Spruch aus dem Mund des Br... 2. Aufseher beim Entzünden der kleinen Lichter gehört. Es ist ein großer Anspruch, den der Br... 2. Aufseher da stellt; es geht um Schönheit, Vollendung und unseren Bau.

Wenn etwas schön ist, so ist das ein Werturteil, das von Wertvorstellungen und Bewertungszielen abhängig ist, die wiederum von gesellschaftlichen Vorstellungen geprägt sind. Kant definiert Schönheit als Gegenstand einer bestimmten Tätigkeit der Urteilskraft. Für Kant beruhen alle ästhetischen Urteile auf privaten, subjektiven Empfindungen des Gefallen oder des Missfallens, der Lust oder der Unlust. Auch wenn ästhetische Urteile subjektiv sind, so erheben sie doch Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Im Gegensatz zum Guten und Angenehmen ist das Urteil über das Schöne das einzige, welches das persönliche Interesse am Gegenstand nicht berücksichtigt; daher definiert Kant Schönheit als „interesseloses Wohlgefallen“.

Vollendet ist der Bau dann, wenn er zum Vollen gekommen ist, die Vollkommenheit erreicht hat – das heißt nicht mehr zu verbessern ist. Der vollendete Zustand ist ein Maximum des real Erreichbaren, ein Ideal. Bei Kant ist Vollkommenheit die Vollständigkeit als Zusammentreffen aller möglichen Bestimmungen eines Gegenstandes zu einer harmonischen Einheit. Vollendet ist der Bau dann, wenn kein Teil mehr fehlt. Vollendet und vollkommen bedeutet gleichzeitig auch, dass keine weitere Entwicklung mehr möglich ist. Prinzipiell lässt sich in unserer realen Welt zu allem eine Ergänzung oder Erweiterung finden; vollkommene Sachverhalte sind im Endlichen entweder Abstraktion oder im Unendlichen göttlich. Somit wird für uns Menschen die Vollkommenheit ein anzustrebendes Ideal.

Wir Brr... FM bauen mit uns Menschen als Bausteinen immer weiter am Weisheitstempel. Das Ritual setzt voraus, dass der Tempel der allgemeinen Menschenliebe immer noch im Bau und kein fertiges Gebäude ist. Dieser Bau soll mit dem Mittel der Schönheit vollkommen werden. Es liegt an uns, die gesellschaftlichen Konventionen so zu prägen, dass der Tempel der allgemeinen Menschenliebe nicht nur das Wohlgefallen der Brr... FM erregt, sondern allgemeines, interesseloses Wohlgefallen. Unser Auftrag lautet, bei uns selbst anzufangen und unseren eigenen, rauen Stein zu behauen, denn Selbstveredelung sei der erste Schritt zur Schönheit seines Menschentums. Behauene Steine passen harmonisch in die Mauer des Weisheitstempels. Jeder einzelne Bruder, jede einzelne Schwester kann der Stein sein, der benötigt wird um den Bau voll zu machen. Die Menschen des Mittelalters haben die Kathedralen und Dome nie fertig sondern immer als Baustelle erlebt; und auch heute noch sind die Kathedralen und Dome immer währende Baustellen. So bleibt wohl unser Tempel der allgemeinen Menschenliebe eine ewige Baustelle, ein Ideal, das wir zu erreichen versuchen müssen. Denn auch die letzte Schönheit entsteht – wie der 2. Aufseher in der Trauerloge sagt – erst im Abglanz des ewigen Lichtes.

Initiation

Unter Initiation versteht man die Riten und mündlichen Unterweisungen, die eine einzuweihende Person, einen Außenstehenden, einen Anwärter in eine Gemeinschaft oder in einen anderen Bewusstseinsstatus ein- oder überführen sollen. Die Initiation entspricht einer ontologischen Veränderung der existentiellen Ordnung. Am Ende seiner Prüfungen lebt der Initiand in einer anderen Seinsweise, er ist ein anderer geworden.

Ursprünglich bedeutete Initiation die Aufnahme der jungen Männer in die Stammesgesellschaft. Daraus hervorgegangen ist die Initiation in die antiken Mysterienkulte. Die Initiation führt den Novizen sowohl in die Gemeinschaft als auch in die Welt der geistigen Werte ein.

Unsere englischsprachigen Brüder verwenden für die Rezeption den Begriff „initiation“, und ich denke, Initiation wird unserem maurerischen Tun gerechter als der banale Begriff Aufnahme oder Rezeption. Unsere Suchenden erhalten Zugang zu einem geheimen Wissen, sie werden vom MvSt während ihrer Wanderungen gründlich unterrichtet, und sie werden den Prüfungen durch die Elemente unterzogen. Zentrales Ereignis unserer Aufnahme ist die Lichterteilung, die eine Wiedergeburt nach dem Rückzug in die Mutter Erde als symbolischen Uterus – dargestellt durch die Dunkle Kammer – bedeutet. Der Neophyt wird als Kind des Lichts neu geboren; er ist ein neuer Mensch, der eine neue Seinsweise auf sich genommen hat, die Lichterteilung bedeutet das Ende der Unwissenheit und seines profanen Seins.

Um dieses neue Leben zu erreichen, muss sich der Suchende in den Schoß der Mutter Erde zurückziehen, altes ablegen, tabula rasa machen, seine Metalle und Bindungen ablegen. Nur dann kann er die Lehren aufnehmen, die ihm helfen sollen zu einem neuen, geistigen Leben geboren zu werden. Dieses neue Leben soll die wahre Existenz des Menschen werden, die Schönheit unseres Menschentums.

In Ordnung meine Brüder!

Es ist jedes Mal aufs Neue erstaunlich zu sehen, wie die Brr..., alle Brr..., ganz gleich ob Lehrling oder Geselle, Meister oder Pastmaster, Ehrenmeister oder Großbeamter, alt oder jung, aufstehen und ins Zeichen treten, wenn der MvSt mit Hammerschlag die Brr... in Ordnung ruft.

Ich denke es gibt kaum eine Gemeinschaft, in der so unterschiedliche Menschen zusammenkommen, die gleichzeitig so große Individualisten sind, deren Streben nach Freiheit mit einer der wesentlichen Gründe war diesem Bund anzugehören. Das Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung macht den Br... FM geradezu aus. Und dennoch unterwerfen wir uns alle freiwillig der maurerischen Ordnung, die uns an so vielen Stellen des Logenlebens begegnet, wobei ich mit Ordnung mehr als die Konstitution, das Hausgesetz meine, die beide als Nachfolger der alten Bauhüttenordnungen gelten können. Es mag als großes Paradoxon der FMei gelten, dass freie Männer sich freiwillig einer strengen Ordnung unterordnen.

Wir unterwerfen uns der Ordnung des Rituals. Der Eintritt in den Tempel erfolgt nach strengen Regeln, zuerst die Brr... LL, hernach die Brr... GG, zuletzt die Brr... MM. Jeder weist sich, obwohl mit dem Br... TH durchaus persönlich bekannt, mit dem Passwort des Grades als Br... aus. Die Lehrlinge haben ihre Plätze in der Nordkolonne, die Gesellen ihren in der Südkolonne. Jede Bewegung im Tempel erfolgt im Zeichen im Sonnenlauf, eben unter der Ordnung der Sonne. Die Brr... erbitten die Wörter bei den AA ihrer Kolonnen. Nur so kann das Ritual seine Aufgabe, den Brr... bei der Selbstveredelung zu helfen, erfüllen. Dadurch dass uns das Ritual deutliche Grenzen setzt und wir vom Ritual wie in einer Model geprägt werden, kann das Ritual in uns eindringen und so unser Denken verändern.

Besonders streng sind die Regeln beim brüderlichen Gespräch an der WT. Unabhängig von Lauf und Inhalt des Gesprächs erhalten die Brr... strikt nach der Rednerliste die Wörter. Wortmeldungen außerhalb der Rednerliste sind genauso verboten wie Rede und Gegenrede. Wer noch etwas zu sagen hat, ganz gleich ob neuer Gedanke oder Einwand, muss sich ein zweites Mal zu Wort melden.

Die maurerische Ordnung ist – so scheint mir – wesentlich für das Funktionieren einer Loge und die Wirksamkeit der FMei. Die Ordnung, die wir uns auferlegen, bringt den Einzelnen dazu, sich mit seinem Selbst in Abgrenzung zur Ordnung auseinanderzusetzen und daran zu arbeiten, nicht von den straffen Regeln der maurerischen Ordnung erdrückt zu werden. Andererseits zwingt die freiwillige Unterwerfung unter die Regeln der maurerischen Ordnung Brr... mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein dazu, Raum für solche Brr... zu geben, die sonst an den Rand gedrängt werden würden. Die maurerische Ordnung verhilft also dazu, dass sich die Brr... im rituellen Raum als Gleiche unter Gleichen begegnen können, sie ist also die praktische Anwendung der Lotwaage oder Wasserwaage, des Zeichens der Gleichheit unter den Brr... Damit ebnet die maurerische Ordnung den Bauplatz und schafft so Raum für maurerische Begegnung und die Arbeit am rauen Stein.

Freimaurerische Praxis

Die Aktivitäten einer Loge, als Organisationsform und kleinste Einheit der FMei, erstrecken sich – je nach der Interessenlage der Brr... – mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf verschiedene Bereiche, die auf die folgenden sechs Bereiche aufgeteilt werden können (nach Reinhold Dosch, Deutsches Freimaurerlexikon, Bonn 1999):

Die rituelle Komponente

Das Ritual ist konstitutiv für die Freimaurerei. Es unterscheidet die Freimaurerei von anderen Menschenbünden. Im Ritual ist der initatorische Kern der FMei verborgen. Es bewahrt und lehrt die Philosophie der FMei. Durch die Wiederholung prägt das Ritual das Denken der Brr... und formt sie wie eine Model.

Die diskursive Komponente

Dazu gehört die österreichische Praxis des BS genauso wie das brüderliche Gespräch an der WT. Es geht um die geistige Arbeit der Loge. Im brüderlichen Gespräch tauschen sich die Brr... über ethische Orientierungen auf der Ebene der Wasserwaage aus. Das brüderliche Gespräch ist die Form der maurerischen „Einübungsethik“. Auch im brüderlichen Gespräch unterwerfen wir uns strengen Regeln, die jedoch den maurerischen Diskurs erst möglich machen.

Die gesellige Komponente

Im Rahmen der Geselligkeit wird die brüderliche, geschwisterliche Verbundenheit geübt. Wir treffen einander im privaten Rahmen zu Sommerfesten, Schwesternabenden und kulturellen Veranstaltungen.

Die karitative Komponente

Schon in den Belehrungen nach der ersten Reise hören wir von der Aufforderung zu zielbewussten Wohntätigkeit. Es geht darum sowohl den bedürftigen Br... der eigenen L zu unterstützen als auch spezifische Projekte oder Vereinigungen zu unterstützen. Den hohen Stellenwert, den die FMei der Wohltätigkeit beimisst, kann man daraus ersehen, dass einem speziellen Beamten, dem Almosenier, diese Aufgabe übertragen wird.

Die administrative Komponente

Die Loge braucht eine Leitung, den Beamtenrat, in den sich die Brr... MM wählen lassen können. Viele LL schließen sich zu GLL zusammen, die von einem GBR verwaltet werden.

Die repräsentative Komponente

Es geht um die Vertretung der FMei sowohl nach innen, gegenüber anderen LL und Obödienzen genauso wie um die Vertretung der FMei gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit.

Jede dieser Komponenten im Spektrum der Logenaktivitäten bietet Ansatzpunkte für die Interessen der Logenmitglieder. Sie entsprechen dem Bedürfnis nach Geselligkeit, guten Gesprächen und ritueller Erfahrung ebenso wie dem Ausleben von Tätigkeitsdrang, der Festigung des Selbstwertgefühls und der Bedienung von Statusbedürfnissen. Leider liegt hier auch eine Ursache von möglichen Konflikten. Es braucht in einer L Brr..., die alle diese Komponenten abdecken, und jeder Br... ist mit seinen persönlichen Präferenzen für die gemeinsam geübte Praxis der L gleich wichtig.

Die Zahl Drei, die Zahl der Synthese zur neuen Einheit

In der Drei schließt sich die Eins, die Einheit, die aus sich heraus tritt und so zur Polarität zur Zwei wird, in neuer Natur wieder zusammen. Mit der Drei wird der Polarität der Zwei eine Mitte gegeben. Nach der Lehre der Pythagoräer ist die Drei die erste Zahl, die Anfang, Mitte und Ende hat. Und Laotse sagt: „das Tao erzeugt die Einheit, die Einheit erzeugt die Zweiheit, die Zweiheit er­zeugt die Dreiheit – die Dreiheit erzeugt alle Dinge“. Deshalb ist auch die erste geometrische Figur das Dreieck.

Pythagoras deutet das Dreieck als Anfang der Entstehung im kosmischen Sinne, weil sich aus ihm geometrische Formen bilden lassen, Vierecke und Sechssterne. Das aufsteigende Dreieck steht nach Freud für das männliche Prinzip, das absteigende Dreieck oder Delta wird schon bei steinzeitlichen Frauenfiguren als weibliches Geschlechtszeichen verwendet. Einander durchdringend ergeben das aufsteigende und das absteigende Dreieck das Siegel Salomos, das Hexagramm, in der Alchemie Symbol für die Verschränkung von Makro- und Mikrokosmos.

Wir erfahren die Dreiheit in der Natur, auch aus Sage, Dichtung, Mythos und Philosophie ist sie uns bekannt. Wir leben mit Wasser, Erde und Luft, es gibt drei Aggregatzustände fest- flüssig – gasförmig. Die Vorstellung von drei Welten, die wir in der Einteilung von Himmel, Erde und Unterwelt – Zeus, Poseidon, Hades – in vielen Mythen finden, symbolisiert der Salomonische Tempel mit seinen drei Räumen – Hulam, Hekal, Debir, in der FM – Saal der verlorenen Schritte, Loge, mittlere Kammer. Wir erfahren das Leben als Anfang – Mitte – Ende, bzw. Geburt – Leben -Tod, abstrahiert in Werden – Sein – Vergehen. Ein voll­kommenes Ganzes entsteht aus These – Antithese – Synthese.

In der Religionsgeschichte finden wir viele dreifache, dreifaltige Gottheiten, und dabei müssen wir gar nicht erst an die Dreifaltigkeit des Christentums denken, in Babylon die astrale Dreiheit Sin (Mond), Schamasch (Sonne), Ischtar (Venus); Maria erscheint in dreifacher Gestalt als Jungfrau – Mutter – Königin, in Indien Brahma (Schöpfer), Schiva (Zerstörer), Vischnu (Erhalter), in den ägyptischen Mysterienreligionen Isis – Osiris –Horus, der Erlöser. In der Philosophie wird die Drei häufig als Einteilungszahl verwendet, Körper – Geist – Seele, die Kategorien des Augustinus Sein – Erkennen – Wollen sind allgemein akzeptiert, und Platons Ideal des Wahren, Guten und Schönen hat Eingang in unser Ritual gefunden.

Die Drei ist gewissermaßen die freimaurerische Zahl schlechthin. In der St.-Johannis-Freimaurerei gibt es drei Grade, Lehrling, Geselle, Meister. Wir werden auch spöttisch 3-Punkt-Brüder genannt, weil wir als Abkürzungszeichen drei Punkte im Dreieck setzen.

Das symbolische Alter des Lehrlings ist drei Jahre. Durch drei starke, schnelle Schläge erhält der Suchende bei der Rezeption Einlass in den Tempel, drei Reisen führen ihn zum Licht. Nach drei Schlägen mit dem Hammer auf die Brust des Suchenden, haucht der MvSt dem L... mit den drei Bruderküssen spirituelles Leben ein – Geist, Erkenntnis, neues Leben. Drei Säulen tragen die L..., Weisheit, Stärke, Schönheit und drei Lichter beleuchten sie, Bibel, Winkelmaß und Zirkel. Im dreifachen Schritt ersteigen wir symbolisch die drei Stufen in den Osten, die Stufen zum Tempel hinauf. In drei Schritten sollen das Ziel der FM, die Selbstveredelung erreichen – erkenne dich selbst, veredle dich selbst, beherrsche dich selbst. Drei hammerführende Brr... regieren die L..., MvSt, 1A, 2A.

In der Anordnung der Sitzplätze in unseren Tempeln wird auf die symbolische Bedeutung der Dreizahl hingewiesen. Die beiden Kolonnen der Brüder stellen symbolisch die Polarität der Zweizahl dar. Der erhöhte Platz des MvSt im Osten vor der Sonne weist auf die Eins, die Einheit, das Ziel, hin. Gemeinsam mit den beiden Aufsehern im Westen wandelt der MvSt die Unvollkommenheit der Zwei zur Vollkommenheit der Drei um; die drei hammerführenden Beamten bilden ein Dreieck, einen nach Westen offenen Winkel, einen nach Westen offenen Zirkel. Eingeschrieben in diesen Zirkel ist ein rechter Winkel, gebildet aus den drei kleinen Lichtern. Die Silhouette einer Pyramide schimmert auf. Ihre Basis, ein Viereck, ruht im Irdischen; ihre Silhouette, ihre sichtbare Seite, ist jedoch von überall ein Dreieck. Die Pyramide ist also ein Wegweiser in die Transzendenz. Im Inneren dieser Pyramide zeigt sich jedoch keine Grabkammer sondern der rechte Winkel des Osiris. Und so begleitet den Br... FM ein Dreieck, eine Pyramide aus Rosen auf seinem letzten Weg.

Die rituelle Arbeit, die Tempelarbeit

Eine Tempelarbeit ist eine Art dramatischer Inszenierung, ein Spiel mit verteilten Rollen, in dem ein bestimmter Inhalt durch Worte, Gesten, Handlungen und Symbole dargestellt wird. Das Miterleben einer solchen Arbeit ist ein komplexer Vorgang. Was dort geschieht, vollzieht sich teils auf der diskursiven Ebene, teils auf der meditativen Ebene, oder auch auf beiden gleichzeitig, oder zwischen diesen Ebenen – und es bringt auch diese verschiedenen Ebenen in uns zur Resonanz. Je mehr uns das bewusst ist, und auch je mehr wir bereit sind, uns auf dieses Spiel einzulassen, desto intensiver können wir es erleben und umso stärker wird auch die formende, also die erzieherische Wirkung des Rituals.

Wir befinden uns im Tempel auf der diskursiven Ebene, wenn wir den Wechselgesprächen zwischen den hammerführenden Meistern zuhören, welche die rituellen Handlungen begleiten. In ihnen wird das aufklärerische Erziehungskonzept der FMei... ganz besonders deutlich: man muss den Teilnehmern an der Arbeit die erstrebten Tugenden nur oft und deutlich genug vor Augen führen, dann werden sie diese kraft vernünftiger Einsicht auch verinnerlichen. Das Baustück ist ein weiterer Teil der Tempelarbeit, bei dem wir ganz auf der diskursiven Ebene bleiben.

Bei jeder Tempelarbeit breitet das Ritual die ganze Fülle unserer Gedanken, Mythen und Symbole vor unseren Augen und Ohren aus. Es fordert uns auf, uns ihm auf jeweils neue und individuelle Art zu öffnen, sich von ihm ergreifen und führen zu lassen bei der Arbeit an uns selbst. Die Rituale sprechen zu uns, wir müssen nur zuhören. Schließlich bietet uns das Ritual einige große Themenkomplexe zur dauernden Bearbeitung. Es geht um die Auseinandersetzung mit den Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft und um die Polaritäten des Lebens, also die Auseinandersetzung mit dem Hellen und Dunklen, dem Bösen und Guten, dem Glücklichen und dem Unglücklichen, dem Männlichen und Weiblichen um uns und in uns.

In seiner Grundstruktur bewegt sich das Ritual während all dieser Reden und Handlungen gleichzeitig ganz auf der intuitiven oder meditativen Ebene. Es ist dort vergleichbar mit uralten, astronomisch und kosmologisch ausgerichteten kultischen Vorgängen, wie sie die Menschen seit der Steinzeit vollzogen haben. In ihren Heiligtümern, in denen sinnvolle Steinmarkierungen den Bezug zu den ewigen Gesetzmäßigkeiten herstellten, versuchten sie, sich durch Bewegungen, Handlungen und Symbole in den Lauf der kosmischen Ordnung einzufügen. Das ist auch das Grundmuster der Einrichtung unseres Tempels und des Ablaufs unserer eigenen rituellen Arbeit. Indem wir dem Lauf der Sonne folgen, fügen auch wir uns in die ewigen Gesetzmäßigkeiten ein.

Die Lehrgespräche zwischen dem MvSt... und den beiden AA... dienen dazu, diese Welt auszubreiten. Zunächst ist zu klären, wer in diese Welt über­haupt Zutritt hat (äußere und innere Deckung, Prüfung des FM-Status des 1 A...). Die nächsten beiden Schritte erscheinen mir für die Festlegung dieser magischen Welt besonders wichtig, die Orientierung nach den Himmelsrichtungen (die Orientierung ist ein Programm, bei uns Maurern nach dem aufgehenden Sonnenlicht) und die Bestimmung der Zeit (wir arbeiten, wenn die Sonne, das Licht, am höchsten steht).

Nach der Bestimmung von Zeit und Raum steuert das Ritual seinem Höhepunkt zu, dem Entzünden der Lichter. Der MvSt... als Repräsentant des Elements Luft verkörpert die Klarheit des Bewusstseins und die Beherrschung der Gedankenkräfte. Weisheit entsteht, wenn Wissen und Erkenntnis in die Tat umgesetzt werden, Weisheit gründe den Bau. Der 1. A... als Repräsentant des Elements Feuer verkörpert die Beherrschung der Triebstruktur und ihrer Energien, Stärke führe ihn aus. Der 2. A... als Repräsentant des Elements Wasser verkörpert die Meisterung der Gefühlsebene und der Vorstellungskraft. Fühlen ist mit der Hingabe an das Harmonische, das Ästhetische verbunden, Schönheit vollende ihn.

Der MvSt... lädt die Brr... AA... ein, „mit ihm die BH... zu erleuchten. Er bringt das Licht aus dem Osten und wird damit zu einem direkten Nachfolger aller Lichtbringer, wie Tubalcain, Horus, Prometheus, aber auch Loki und Lucifer. Der Höhepunkt des Rituals – unsere Zeichnung, unser geistiger Beitrag zum Bau des Weisheitstempels – bringt Licht und Struktur in Dunkelheit und Chaos. Es entsteht eine neue magische Welt, die sich vom Draußen abgrenzt und am Ende durch das Einholen der Lichter, nach Ablauf ihrer Zeit um Hochmitternacht wieder versinkt.

Das Entzünden der Lichter geschieht unter Anrufung des G...B...A...W... (…in Ehrfurcht vor dem G...B...A...W...) und in manchen Ritualen vor allem in England stehen an dieser Stelle – anders als bei uns – lange Gebete. Auf diese Anrufung – genauso wie auf die geöffnete Bibel – wird in unserer österreichischen Obödienz streng geachtet, denn sie erhält uns die Regularität. Ich meine aber, dass hinter dieser Anrufung mehr steckt. Es geht um so etwas wie den „Maurergott“ – den Geist unserer Arbeit -, der uns Brr... FM... in unserer Arbeit unterstützen soll. So ähnlich haben unsere Urururahnen, die Menschen von Altamira und Lascaux die Geister der Jagd beschworen, wenn sie die Bilder ihrer Beutetiere an die Wand malten.

Am Ende unseres Rituals, also bevor diese magische Gegenwelt versinkt, schließen wir die Kette der brüderlichen Zusammengehörigkeit. Diese Kette ist ein magisches Element im Ritual, denn durch diese Kette und die Konzentration auf ein gemeinsames Ziel (…wie hier durch das Wort, so im Leben durch die Tat…) wird im Inneren des so gebildeten Kreises ein Kraftfeld aufgebaut, wie es von einem Einzelnen nicht erzeugt werden kann. Gedanken sind Kräfte, und energetisch hochgespannte und konzentrierte Gedankenkräfte können wie Sonnenstrahlen wirken, die durch ein Brennglas fallen.

Die drei großen Lichter der FMei

Bibel oder das Buch des heiligen Gesetzes, Winkelmaß und Zirkel werden als die drei großen Lichter der Freimaurerei bezeichnet. Bei jeder Arbeit liegen sie auf dem Altar. Was haben nun die Lichter mit dem Altar zu tun. In alter Zeit brannte auf dem Altar ein Feuer, in dem die Opfergaben verbrannt wurden. Im jüdischen Tempel finden wir den 7-armigen Leuchter, dessen Lichter nicht verlöschen durften, im antiken Rom waren die Priesterinnen der Vesta die Hüterinnen des heiligen Herdfeuers, das nicht ausgehen durfte und in den katholischen Kirchen finden wir bis heute das Ewige Licht vor dem Tabernakel. Wir Freimaurer haben legen also unsere drei großen Lichter auf den Altar. Das Licht leuchtet als uraltes Symbol für Erkenntnis und Weisheit. Sollen wir doch aus der Finsternis der Unwissenheit in das Licht der Selbstschau treten.

Die Bibel stellt das Licht über uns dar; das Buch des Gesetzes ist nicht eine konfessionelle dogmatische Autorität sondern Ausdruck unseres Glaubens an eine sittliche Weltordnung. Dem Gewissen des einzelnen Bruders bleibt es überlassen, welchen Sinn er dem von der Bibel ausstrahlende Licht bei der Ordnung und Ausrichtung seines Lebens gibt. Die Bibel weist den Bruder darauf hin, dass alle Brüder im Sinne der Religion, in der alle Menschen übereinstimmen, unabhängig vom individuellen Glauben, sich zur allgemeinen Menschenliebe verbinden sollen

Das Winkelmaß, das Licht in uns, das Symbol der Idee von Recht und Pflicht des sittlichen Handelns, ordnet gleichsam unsere Handlungen innerhalb der Schranken des Sittengesetzes und der menschlichen Gesetze – frei von Eigennutz, bösem Willen, in voller Erkenntnis des Rechten und Guten. Wie wir das Winkelmaß an den Stein anlegen, um zu erkennen, wie weit der raue Stein zur kubischen Gestalt gekommen ist, so sollen wir das Winkelmaß an unser Denken und unsere Handlungen anlegen, um zu erkennen, ob wir frei von Eigennutz und bösem Willen in voller Erkenntnis des Rechten und Pflichtgemäßen handeln.

Der Zirkel, das Licht um uns, das Symbol der Brüderlichkeit, des Dienstes an den Menschen beschreibt uns den Kreis, innerhalb dessen wir uns im Verhältnis zu unseren Mitmenschen, insbesondere zu unseren Brüdern bewegen. Mit seinen geöffneten Schenkeln erinnert er uns daran, dass der Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns die Liebe, die uns mit allen Menschen verbindet, sein soll.

Gemeinsam bilden die drei Großen Lichter eine Dreiheit, deren erstes Glied das Verhältnis des Menschen zur Transzendenz und zum Sittengesetz, das zweite den Menschen selbst als Selbstwesen und das dritte das Verhältnis des Menschen zu anderen Menschen versinnbildlicht. Sie weisen uns auf das Ideal unserer maurerischen Bestrebungen hin.

Die Bibel entspricht der Weisheit der Selbsterkenntnis, zu der jeder Bruder zunächst und vor allem kommen muss, um den rauen Stein seines eigenen Ichs zu erkennen. Dann erst kann er das Winkelmaß des Rechts alle seine Handlungen anlegen und erkennen, was uneben ist und entfernt werden muss; die Stärke zur Selbsterkenntnis. Der Zirkel markiert den Mittelpunkt, die Liebe, und schlägt den Kreis, innerhalb dessen wir alle Menschen vereinen wollen, der Weg zu diesem Ziel ist die Selbstveredelung zur Schönheit.

Deismus und Theismus

Die ersten Texte, in denen man den Übergang von der rein operativen zur spekulativen Maurerei nachvollziehen kann findet man in Schottland ab 1634 und in England ab 1646. In ihnen wird vom operativen Maurer nicht nur eine genaue Kenntnis seines Handwerks sondern auch ein vorbildhaftes Leben gefordert, das von einem Prinzip – größer als der Mensch – angeleitet wird. Dieses höhere Prinzip, das die Freimaurer mit dem Symbol des GBAW (Grand Architect of the Universe) bezeichnen, soll die Menschen in universeller Brüderlichkeit und Respekt vor den jeweiligen Unterschieden zusammenschließen, um so eine bessere Welt, den Tempel der allgemeinen Menschenliebe, zu bauen.

1723 formuliert der Dissenterpfarrer James Anderson diese Idee im ersten Kapitel der Constitutions Concerning God and Religion so: ein Maurer ist durch seine innere Haltung verpflichtet, das Moralgesetz zu befolgen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er niemals ein einfältiger Atheist sein, noch ein religiöser Freigeist. Aber obwohl in alten Zeiten die Maurer in jedem Lande verpflichtet waren, von der Religion dieses Landes oder Volkes zu sein, welche auch immer es sein mochte, so hält man es jetzt doch für sinnvoller, sie nur der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, ihre besonderen Meinungen aber ihnen selbst zu überlassen; das heißt, gute und redliche Männer zu sein, Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch welche Glaubensbekenntnisse oder -anschauungen sie auch unterschieden sein mögen… (zitiert nach „alte Pflichten“ der GLvÖ, Wien 2005).Das fürstliche Regalitätsrecht des Glaubenszwangs wird zurückgewiesen und aufgehoben. Die Gleichbehandlung der Konfessionen, die ausdrücklich Atheisten ausschließt geht wahrscheinlich auf die Toleranzideen von John Locke zurück, der in seinen Letters Concerning Toleration (1689 – 92) schreibt: Letztlich sind diejenigen ganz und gar nicht zu dulden, die die Existenz Gottes leugnen. Versprechen, Verträge und Eide, die das Band der menschlichen Gesellschaft sind, können keine Geltung für einen Atheisten haben. Gott auch nur in Gedanken wegnehmen, heißt alles auslösen.

Auch wenn die Geschichte zeigt, dass dieser Text von der UGLoE theistisch interpretiert wurde, ist er zunächst einmal ausdrücklich deistisch. Er legt dem Br... moralische Verpflichtungen auf und unterscheidet deutlich zwischen Religion und Konfession. Dieses Bekenntnis zum GBAW, vor dem wir in Ehrfurcht oder in dessen Namen wir arbeiten, wird jedoch gern so interpretiert, als ob es des geoffenbarten Gotteswortes bedürfte, wovon der Text ausdrücklich nicht spricht.

Der Deismus ist eine freidenkerische Glaubensströmung (England, Ende 17. Jhd.), welche die Schöpfung des Universums durch Gott anerkennt, aber annimmt, dass Gott keinen weiteren Einfluss auf diese Schöpfung ausübt; Gott als Uhrmacher (horlogeur, Voltaire), der das Uhrwerk (horloge, Voltaire) einmal aufgezogen hat und seither laufen lässt. Im Deismus ist Gott neutral, es besteht keine Verbindung zwischen Gott und der Schöpfung im Allgemeinen und dem Menschen im Besonderen. Da Gott für einen Deisten ein abstraktes, philosophisches Prinzip ist, kann es auch keinen Dialog zwischen Mensch und Gott geben; der Mensch ist eigenständig und unabhängig von seinem Schöpfer. Der Deismus definiert das Prinzip der natürlichen Religion in den Grenzen des Verstandes und der Vernunft. Gedanke, Vernunft und Verstand sind göttlich, im 18. Jahrhundert die Philosophie der Aufklärung.

Der Theismus nimmt dagegen an, dass Gott die von ihm geschaffene Welt auch laufend erhält, regiert und in sie eingreift. Das theistische Sinnargument nimmt zudem an, dass der göttliche Heilsplan gut und gerecht sei. Im Theismus geht um einen persönlichen, geoffenbarten und sich offenbarenden Gott; gleichzeitig besteht eine enge, persönliche Verbindung zwischen Gott und Mensch. Die Aufgabe des Menschen sei es, Gottes Plan auf Erden umzusetzen. Nach Verständnis der UGLoE braucht es den Gottesbezug in der freimaurerischen Ethik, um das rituelle Angebot zur Arbeit an sich selbst und zur Mitarbeit am Bau des Tempels der Humanität zu nutzen. Der Glaube an ein Höchstes Wesen, macht das Streben des Freimaurers nach brotherly love, relief and truth zu einem religiös fundierten Auftragsdienst.

Das Baustück

Das Baustück als zentraler Punkt unserer Tempelarbeit und sichtbares und fassbares Dokument unserer geistigen Arbeit ist ein Spezifikum der österreichischen Freimaurerei. In vielen anderen Obödienzen beschränkt sich die Arbeit auf das Ritual, gelegentliche Festvorträge zu besonderen Anlässen oder Konferenzarbeiten und Tafellogen. Br... Schönmann berichtet über die Geschichte des BS: Da das österreichische Äquivalent zur englischen Royal Society erst fast 200 Jahre später im Jahre 1848 gegründet wurde, dürfte das Fehlen einer solchen Organisation sicherlich der Grund gewesen sein, dass die Anregung Ignaz von Borns, in den Logen wissenschaftliche Vorträge zu halten, von Angelo Soliman… so leidenschaftlich unterstützt wurde und es so zu dieser Einführung kam. Hier wurde freimaurerisches Neuland betreten, denn die Wahre Eintracht war die erste Loge, die Baustücke im heutigen Sinn einführte.

Wir sprechen heute selbstverständlich von einem Baustück, früher sprach man von Bausteinen. Wir legen eine Zeichnung auf, der Br... xy zeichnet über…, er macht eine Werkzeichnung oder einen Bauriss. Die Brr... LL legen vor ihrer Lohnerhöhung ein Gesellenstück, die Brr... GG ein Meisterstück auf, alle haben nach ihrer Aufnahme eine Selbstzeichnung aufgelegt und auch uns Brr... MM steht es gut an, gelegentlich eine Selbstzeichnung im Sinne unserer Selbstreflexion aufzulegen.

Unser vollendeter Br... Gutenbrunner definiert ein BS wie folgt: Ein Baustück ist ein Spiegelbild dessen, der es macht, es zeigt sein Herz, seine Intelligenz, den Charakter, es zeigt auf der jeweiligen Stufe eigener und fremder Bildung und des Unterrichts von Zeit und Ewigkeit, was einer für wichtig und der Mitteilung für wert hält. Es zeigt seine Unterscheidungsgabe, und von Mal zu Mal, in aufeinander folgenden Entwürfen, was sich im Laufe der Welt und im Fortschritt am Rauen Stein aufdrängt, wozu er sich ermächtigt, was er uns zumutet und wo er Stand zu halten verspricht. Ein Baustück zeigt, wie einer sich immer mehr von allen Seiten ausbildet und die Bildung seiner Kräfte nach und nach zu einem Ganzen bringt.

Ob einer sein Baustück auf eine konkrete Angelegenheit richtet, oder ob er abstrahiert und, jeden Realismus übergehend, in freien Höhen der Spekulation schweben will und idealistisch redet, das ist egal, es muss nicht auf unmittelbare Wirkung zugespitzt sein. Das Wort kann Samen gleich ausgestreut werden, der erst in Zukunft reift. Eines ist gleicherweise unerlässlich: der brüderliche Appell und der Reflex auf das Ideal der unsichtbaren-sichtbaren Gesellschaft der Maurerei.

Es ist eine ordentliche Zahl BS, die so in einem Arbeitsjahr zusammen kommt. Bei zwei Monaten Sommerferien, drei Wochen Weihnachts- und Osterferien, diversen Festarbeiten, die rituelle Baustücke nach sich ziehen, die Instruktionen, sind es etwa 30 Baustücke pro Jahr, die eine Loge benötigt. Natürlich können wir jederzeit Gäste einladen, die uns eine Zeichnung legen sollen. Wir tun das in der Tat gerne, weil wir so die brüderliche Verbundenheit mit anderen LL und einzelnen Brr... fördern, dennoch möge jeder Br... selbst prüfen, ob er seiner Verpflichtung zur Arbeit am rauen Stein nachgegangen ist und die Spitzhacke auch in dieser Hinsicht genügend oft geschwungen hat. Oder ob er, übermäßig und ungebührlich, lediglich vom Fleiß seiner Brüder profitierte.

Grundsätzlich ist jeder Br... in der Thematik seines BS frei – cf. Die Definition Gutenbrunner -, lediglich die Alten Pflichten verbieten uns die Auseinandersetzung über Politik und Religion bzw. Konfession, was allerdings nicht ausschließt, dass man aktuelle Fragen auf geistig – philosophischer Ebene betrachtet. Guter Brauch ist es, dass sich jedes BS – sei sein Thema auch noch so profan – irgendwann in eine maurerische Richtung wendet, was manchmal gerade für die Zuhörer besonders spannend wird (…wie hier durch das Wort, im Leben durch die Tat…).

Ob der Titel in langer Form fast schon eine Inhaltsangabe des BS sein soll oder als geheimnisvoller Teaser wirken soll, bleibt dem einzelnen Br... überlassen. In jedem Fall sollte er dem Literarischen Komitee in kurzen Worten vorher schildern, worüber er zeichnen will, denn das Literarische Komitee ist mehr als ein Postkasten oder Sekretariat. Die Länge eines BS sollte zwischen 15 und 45 Minuten liegen, idealerweise zwischen 20 und 30 Minuten.

Das BS kann jedoch nicht allein bestehen, es braucht das brdl... Gespräch an der Weißen Tafel (…der Bau des Weisheitstempels kann nur in gemeinsamer brüderlicher Arbeit erfolgen…). erst durch das brdl... Gespräch wird aus dem Werkstück eines einzelnen Br... das Werk aller Brr... Noch einmal Br... Gutenbrunner: Die Präsenz an der Weißen Tafel ist Teil der Arbeit und gleichfalls Pflicht; wird aber immer wieder verletzt. Und das geht nicht an; denn wir sind kein lockerer Verein, sondern eine Ordnung, in welcher, ohne besonderen Grund und Erlass, nicht die geringste Änderung statthaft ist. Möge jeder einzelne Bruder erkennen, dass in allen Teilen der Maurerei das Ganze herrscht. Es gibt hier nicht Willkür und Beliebigkeit, sondern durchwegs wirkliches Verhältnis. Wer sich im Tempel nur passiv vom Ritual und dem Baustück berieseln lässt und danach gleich weggeht, stellt sich außerhalb der Logengemeinschaft. Erst wenn er aktiv am Gespräch – wenigstens durch das geistige Bewerten und Überdenken der Beiträge anderer Brüder, wenn schon nicht durch eigene Wortmeldungen – teilnimmt, hat er einen persönlichen Gewinn daran, dass er die Materie des Baustücks reflektiert hat und dass dabei er und die Brüder einander besser kennen gelernt haben.

In unserer Loge verwenden wir bewusst den Begriff Brüderliches Gespräch an der Weißen Tafel. Es ist Teil unseres Rituals, wie wir dieses Gespräch abhalten. Es handelt sich eben nicht um eine Diskussion, in der es darum geht den Gesprächspartner mit den besseren Argumenten zu überzeugen, sondern es ist das Ziel, den Br... und seine Meinung besser kennen zu lernen. Das Brüderliche Gespräch gibt auch den Raum eine Meinung in einem freundlichen Umfeld zu erproben. Dafür unterwerfen wir uns alle strengen Regeln. Wir halten uns strikt an die Rednerliste, Rede und Gegenrede sind nicht vorgesehen, sogenannte AdHoc’s sind verboten. Natürlich hat jeder Br... das Recht und auch die Pflicht seinen Baustein beizutragen, daher stehen auch jedem Br... die Wörter zu. Ausgesprochen unbrüderlich empfinde ich es allerdings, wenn ein Br..., weil er zufällig auch zu dem Thema Bescheid, ein Co-Baustück hält, oder sich bemüßigt sieht, das BS auf allfällige Fehler zu zerpflücken. Das BS ist das Werk eines konkreten Br..., der auf seinem persönlichen Weg genau dort angelangt ist, wo er jetzt steht und das seinen Brr... zeigt.

Immer wieder wird es BS geben, nach denen ein Brüderliches Gespräch nicht oder nur schwer möglich ist; Instruktionen und Selbstzeichnungen fallen in diese Kategorie, auch nach Zeichnungen im 3.° ist ein Brüderliches Gespräch nicht Routine, was aber meines Erachtens damit zusammenhängt, dass nach einer Meisterarbeit nicht immer eine Weiße Tafel folgt. Ich meine, der Br..., der die Zeichnung auflegt, sollte im speziellen Einzelfall entscheiden, ob er in ein offizielles, rituelles Brüderliches Gespräch mit den Brr... eintreten will. Für mich ist das Brüderliche Gespräch ein sehr wichtiger Teil unserer Arbeit, ich lerne mehr über meine Brr..., kann meinen Teil – so vorhanden – zum großen Werk beitragen. Oft war für mich das Brüderliche Gespräch erst das, was ein BS abgerundet oder – um in unserem Vokabular zu bleiben – erst richtig winkelig gemacht hat; wahrscheinlich braucht es den Mörtel der Brüderlichkeit, um tatsächlich eine feste Mauer zu bilden.