Zeit – im freimaurerischen Sinn

Die Zeit ist ein eigenartiges Phänomen. Aus den Bekenntnissen des Augustinus stammt folgendes Zitat: Was also ist Zeit? Wenn mich niemand fragt weiß ich es. Wenn ich es jemandem erklären soll, der fragt, weiß ich es nicht. (Confessiones XI 14)

 

Für gewöhnlich erleben wir die Zeit linear mit einem Beginn, aus dem der Zeitpfeil, die Zeitachse entspringt und unendlich – eben bis ans Ende der Zeiten fortschreitet. Gewissermaßen stellen wir uns die Zeit als einen Weg vor, auf dem wir Schritt für Schritt voranschreiten. Das machen wir Brr... FM, wenn wir unsere Schriftstück mit „im Jahre des Lichts“, „anno lucis“ datieren. Diese Tradition geht bis James Anderson zurück, der die Jahreszahlen der Bibel zusammenzählte und so auf 4000 Jahre von der Erschaffung der Welt bis Christi Geburt kam. Diese Zeitzählung ist ein inhaltliches Programm. Genauso wie die Römer der Antike die Jahre „nach der Gründung der Stadt (a.u.c.) zählten und in der Kalenderreform der Französischen Revolution die Zeit ab dem Beginn der Revolution gezählt wurde, so zählen wir FM die Zeit ab dem Sieg des Licht über die Finsternis. Mit dieser Art der Zeitzählung ist das Ziel der FM-ei symbolisch dargestellt, die gesamte Welt mit dem Licht der Vernunft zu durchfluten.

 

Das Symbol der unwiederbringlich vorwärtsschreitenden Zeit begegnet dem Br... FM bereits in der Dunklen Kammer im Symbol der Sanduhr. Diese ist mehr als ein Memento mortis; sie soll den Br... FM permanent daran erinnern, ausdauernd bei seiner Arbeit dem erkenne dich selbst, beherrsche dich selbst, veredle dich selbst zu sein.

 

Neben diesem linearen Verständnis von Zeit, das einem konstant fließenden Strom entspricht, finden wir in der FM-ei ein älteres Verständnis von Zeit, die Einsicht, dass Zeit nicht linear sondern zyklisch abläuft. (alles Leben bewegt sich im Kreislauf…). Das ist die Erfahrung, die unsere Vorfahren machten, als sie begannen sesshaft zu werden undAckerbau zu betreiben. Sie lebten im Einklang mit den Tageszeiten – Morgen, Mittag, Abend, Nacht – und den Jahreszeiten – Frühling – Sommer – Herbst – Winter; Werden – Gedeihen – Vergehen – Ruhe; Aussaat – Wachstum – Ernte – Brache; Geburt – Leben – Tod.

 

Wir finden Hinweise auf dieses zyklische Verständnis von Zeit in unserem Ritual. So arbeiten wir von Hochmittag bis Hochmitternacht, das heißt wir folgen dem Sonnenlauf. In unserer Loge folgt der MvSt dem Sonnenlauf. Der MvSt symbolisiert die aufgehende Sonne im Orient, in seiner Zeit als PM steht er in der Funktion des TH im Okzident und symbolisiert so, die Sonne, die sich anschickt ihre Fahrt durch die Finsternis anzutreten, um am nächsten Tag zu neuem Leben zu erwachen.

 

Unsere Wanderungen im Tempel umkreisen dieses unbewegliche Zentrum. Im Ritual der Aufnahme wird davon gesprochen, dass dieses Zentrum der GBAW sei. Wie verrinnende Zeitachse und Kreislauf der Zeit zusammen kommen können, verrät das Ritual der Aufnahme allerdings nicht; das bleibt im Lehrlingsgrad ein Geheimnis.

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