Im Zentrum der Loge liegt der Tapis oder auch Teppich. Ursprünglich eine Bodenzeichnung ist der Tapis in den Logen Kontinentaleuropas heute ein mehr oder weniger künstlerisch gestaltetes Stück Karton, Leder, Stoff oder Teppich mit den Symbolen der FMei.
Der Brauch, einen Teil des Raums als geweihten Raum abzustecken und zu kennzeichnen, ist keine besondere Entwicklung der Brr... FM, wir finden diesen Brauch auch in den Riten verschiedener Völker genauso, wie wir Bodenzeichnungen bei Magiern und Alchemisten finden (vergleiche den nicht geschlossenen Drudenfuß, der Mephisto den Eintritt in Fausts Studierzimmer erlaubt).
Die Werkzeuge unserer Brr... Werkmaurer waren wertvoll, denn die Herstellung von Winkelmaß, Setzwaage, Lot und Winkel war schwierig. Es bedurfte besonders ausgebildeter Künstler, um diese Werkzeuge herstellen zu können. In den Arbeitspausen wurden diese Werkzeuge in einem besonders abgezäunten Bereich in der Mitte der BH abgelegt. Damit entstand in der Mitte der Bauhütte so etwas wie ein Bannkreis, durch den böse Einflüsse und Uneingeweihte von der Versammlung ferngehalten werden sollten.
Gleichzeitig erteilten Aufseher und Meister den Lehrlingen und Gesellen anhand der Werkzeuge Unterricht. In der Werkmaurerei handelte es sich zunächst um reinen Werkunterricht. In dem Maß als sich die Werkmaurerei zur spekulativen symbolischen Freimaurerei wandelte, dürfte dieser Unterricht immer mehr symbolische Einflüsse angenommen haben, um schließlich bei unseren aktuellen Vorstellungen von einem Logentapis zu enden.
In der FMei kann jeder rechteckige Raum auf einfache Weise zum Tempel werden. Ein Sessel für den MvSt gegenüber der Eingangstüre, Sitzgelegenheiten entlang der Längsseiten für die Kolonnen der Brr... und ein mit Kreide oder Kohle in der Mitte auf den Boden gezeichnetes Rechteck mit den wichtigsten Symbolen machen zusammen mit dem Ritual aus dem profanen Raum einen Tempel. „Drawing on the floor of the lodge“ war Aufgabe des Tylers, der dafür extra bezahlt wurde. Um keine Geheimnisse zu verraten und die Zeichnung – wenn notwendig – rasch wieder auslöschen zu können, gehörten „mop and pail“ (Schrubber und Eimer) zum Inventar der Loge. Um das Zeichnen zu erleichtern, wurden später die Konturen der gezeichneten Symboltafel mit Nägeln und Bändern auf dem Boden abgesteckt. Gleichzeitig wurden auch weiterhin viele Werkzeuge im Original in den „mystischen Raum“ des Vierecks gelegt.
Allerdings bewährte sich die Methode nicht, zu Beginn jeder Arbeit die Symboltafel neu zu zeichnen. 1772 konnte, die Jerusalem Lodge in London nicht im Meistergrad arbeiten, weil der Tyler an Stelle des Meistertapis einen Lehrlingstapis gezeichnet hatte. Ersatz für die immer wieder neu gezeichneten Lehrtafeln wurden entweder vorgefertigte Malereien, die am Ende der Arbeit einfach zusammengerollt werden konnten, oder ein gemaltes Reißbrett, Tracing Board oder Trestle Board, das an einer bestimmten Stelle im Tempel steht. Heute finden wir die Symboltafel in Form eines Tapis hauptsächlich in Kontinentaleuropa, während das Tracing Board hauptsächlich in der englischsprachigen Welt verwendet wird.
Der Tapis wird immer wieder gerne künstlerisch gestaltet, auch wenn es sich nicht um ein Schmuckstück der Loge handelt. Die Werkzeuge, Figuren und Dinge, die auf dem Tapis dargestellt sind, unterliegen nämlich nicht der künstlerischen Freiheit, sondern folgen einem sachlichen, inhaltlich festgelegten Programm. Der Tapis fasst mit dem Mittel des Symbols, das zusammen, was die FMei ausmacht, den Bauplan der L als Spiegelung der Welt im Kleinen und den Weg des Br... FM.
Er ist mehr als eine Schautafel der maurerischen Werkzeuge, er ist ein Sinnbild der Loge, der Bauplan des Tempels. Der Tapis markiert das Zentrum des Tempels. Im Idealfall liegt er an der Stelle, wo der Tempel durch den goldenen Schnitt in zwei Teile geteilt wird, und zwar so, dass der kleinere Teil des Teppichs in dem durch den goldenen Schnitt bestimmten kleineren Teil des Tempels liegt; so den Sinn des goldenen Schnittes, des Gesetzes der Harmonie, gleichsam bestätigend und unzweideutig sagend, der Grundgedanke allen Aufstiegs, aller Höherentwicklung, ist die Harmonie.
Die Form des Tapis ist ein längliches Viereck, darin sind sowohl Mikrokosmos als auch Makrokosmos enthalten. Auf dem Tapis finden wir eine Umrandung, diese besteht oft aus schwarz-weißen Dreiecken, die an das musivische Pflaster erinnern oder Mauersteinen, die den Tempel Salomons darstellen sollen. Auch wenn der Mikrokosmos vom Makrokosmos abgegrenzt ist, so reicht der Makrokosmos durch die Fenster und von der Decke her in den Mikrokosmos hinein.Die große Welt wird wie in einem Spiegelbild eingefangen.
Wie die Loge hat der Tempel Salomos kein Dach, sondern reicht vom Zenith bis zum Nadir. Die Fenster folgen dem Lauf der Lauf der Sonne, darum finden wir sie auch im Osten, Süden und Westen. Der MvSt hat seinen Platz im Licht der aufgehenden Sonne, der Weisheit, und trägt so das Licht aus dem Osten in die Loge. Der 1.A im Südwesten beobachtet den Lauf der Sonne; um Hochmittag ruft er die Brr... zur Arbeit und entlässt sie um Hochmitternacht. Der 2.A weiß, dass der Untergang der Sonne nicht das Ende bedeutet, dass die Sonne ihren Lauf durch den Norden vollendet, um im Osten von neuem zu erstehen. Entsprechend dieser Symbolik stehen die drei Kleinen Lichter, Weisheit, Stärke, Schönheit um den Tapis.
Der Tapis ist vom Westen nach Osten zu verstehen bzw. zu lesen. Daher erfolgt die Erklärung des Tapis z.B. im Rahmen der ersten Instruktion während der Rezeption richtigerweise immer vom Westrand des Tapis.
Wer die Symbole recht versteht, findet auf dem Tapis die Beschreibung des Wegs des Br... FM für die Suche nach dem großen Licht (und vielleicht darüber hinaus). Analog zum Salomonischen Tempel finden wir drei Bereiche. Im Westen finden wir die Vorkammer oder den Vorhof. In der Mitte zwischen Osten und Westen liegt der mittlere Bereich, ausgestattet mit den Symbolen der Maurerei. Im Osten befindet sich schließlich der innerste Bereich mit den Symbolen des Lichtkults und des Makrokosmos.
Die Vorkammer oder Vorhof ist für den Suchenden durch die Pforte im Westen zugänglich. Dominierende Symbole sind die Säulen J und B, gemeinsam das Symbol der Polarität. Nach Überschreiten der Schwelle, ausgespannt zwischen den beiden Säulen, muss der Suchende seinen Weg über das musivische Pflaster (ebenfalls ein Symbol der Polarität) finden, um die Einweihung als Br... FM an sich erfahren zu können.
Diese Einweihung ist symbolisch in den sieben Stufen dargestellt, welche die schrittweise Einweihung zum Br... M symbolisch darstellen (3 – 5 – 7). So erreicht der Br... FM den mittleren Bereich, wo er auf die Werkzeuge trifft, mit denen er an sich selbst arbeiten und sein Leben gestalten soll. Dieser Bereich liegt so hoch (7 Stufen), dass kein Uneingeweihter ihn erreichen kann. Er erhält sein Licht durch das Fenster im Süden; der Maurer arbeitet um Hochmittag.
Die sieben Stufen weisen den Br... Maurer darauf hin, dass der Weg zur Selbstveredelung ein mühsamer ist. Gerne werden die sieben Stufen mit den sieben freien Wissenschaften in Verbindung gebracht, die sich ein Maurer erarbeiten muss, um zur Meisterschaft zu gelangen. Sie sind ein Aufstieg aus dem materiellen in den geistigen Bereich.
Grammatik: sie lehrt uns, aufrichtig zu sprechen und wahrhaft zu schreiben
Rhetorik: sie lehrt uns, offen zu sprechen und Harmonie des Ausdrucks
Dialektik: sie lehrt uns, Wahrheit und Falschheit zu unterscheiden und zu erkennen
Arithmetik: sie lehrt uns, zu erklären und zu rechnen mit Zahlen aller Art
Geometrie: sie lehrt uns, die Erde und die Dinge zu wägen und zu messen. Mit ihrer Hilfe können wir Höhen ausmessen und uns ihnen nähern.
Musik: sie lehrt uns des Gesanges und der Stimme Wohllaut.
Astronomie: sie unterrichtet uns über den Lauf der Sonne, des Mondes und aller Sterne.
Der zu werden, der er sein könnte, ist das Ziel des Br... FM, dargestellt im Rauen Stein, dem Beginn und im Behauenen Stein, dem Ziel. Bei dieser Arbeit benötigt der Maurer Spitzhammer, Winkelmaß, Senkblei und Setzwaage.
Die Werksymbole auf dem Tapis zeigen den Weg des Maurers von der Arbeit am rauen Stein bis zur Einfügung des Behauenen Steines in den Bau. Der Zirkel weist über die reine Bausymbolik hinaus. Darum finden wir ihn im Osten, im innersten Bereich.
Der 24-zöllige Maßstab liegt quer zum Weg des Maurers. Er soll ihn an richtige Einteilung und Ausgewogenheit zwischen den Pflichten des Menschen erinnern. Der Maßstab grenzt den mittleren Bereich gegen den innersten Bereich ab, mit dessen Überschreiten werden Raum und Zeit eins. Dem entspricht die diagonale Zuordnung der beiden Säulen am Eingang des Tempels. Die dem Tage zugeordnete, lichte Säule J. steht auf der Seite des Mondes, die dunkle Säule B., dem Bereich der Nacht zugehörig, unter der Sonne.
Im innersten Bereich, vergleichbar dem Allerheiligsten des Salomonischen Tempels trifft der Maurer auf seinem Weg nach Osten auf Sonne und Mond sowie einen 5-zackigen Stern. Der 5-zackige Stern steht hier symbolisch für die Sterne, die dritten Lichter am Himmel. Die Sonne wird mit einem Strahlenkranz in der südlichen Ecke dargestellt, um den Mond in der nördlichen Ecke anzustrahlen. Der Mond wird als Viertel- oder Halbmond, in der zunehmenden Phase, abgebildet, denn nur der zunehmende Mond besitzt ausschließlich positive Aspekte.
Aktives und passives Element, Licht und Dunkel, Leben und Tod werden dem Eingeweihten als Teil eines größeren Ganzen erkennbar. Aus der Verschmelzung der beiden Gegensätze, dem Hieros Gamos, entsteht neues Leben. Mag auch die Polarität für die Kenntnis von der Welt und den Fluss des Lebens notwendig sein, so bedarf es der Synthese, um die Einheit, die in der Zweiheit aus sich heraus tritt, in der Dreiheit in neuer Einheit wieder zusammen zu schließen.
Analog der Darstellung eines Menschen im Pentagramm von Vitruv oder Leonardo da Vinci ist der Mensch in Raum, Zeit und Materie gefesselt. Das Pentagramm soll den Maurer daran erinnern, dass er, auch wenn ihn die Elemente scheinbar fesseln, mit seinem Verstand diese Fesseln zerreißen und die Gegensätze ausgleichen kann.
Eingerahmt werden mittlerer und innerster Bereich von der Knotenschnur. Mit Hilfe der Knotenschnur wird auch heute noch zu Beginn eines Baus ein rechter Winkel konstruiert, denn gemäß dem Lehrsatz des Pythagoras ist ein Dreieck mit den Kantenlängen 3 – 4 – 5 immer ein rechtwinkeliges Dreieck. Die Schnur mit den Knoten in Form der Lemniskate ist ein Symbol für die niemals endende, immerwährende brüderliche Verbundenheit. Sie verbindet alle Brr... FM, die jeder für sich und doch gemeinsam an ihrem rauen Stein arbeiten. Gleichzeitig trennt die Knotenschnur den innersten Bereich vom Fenster im Osten, durch welches, die aufgehende Sonne, das große Licht, diesen Bereich erleuchtet. Will der Br... FM das Große Licht erreichen und vielleicht sogar durchschreiten, so bleibt ihm keine andere Wahl, als die Gemeinschaft der Brr... zu verlassen; den letzten Weg in den (Ewigen) Osten muss jeder für sich allein gehen.
Unsere Bewegungen im Tempel erfolgen im Sonnenlauf um den Tapis. Der Tapis selbst ist Tabu und wird nicht betreten. Nur der VM bei der Aufnahme und der GM bei seinem Eintritt in den Tempel gehen über den Tapis. Der VM schreitet stellvertretend für die Suchenden über den Tapis, denn wie er kommen sie direkt aus dem Draußen aus der Dunkelheit. Der Tapis ist ein Tor zwischen Permanenz und Immanenz, zwischen Diesseits und Jenseits. Darum wirft der VM auch auf dem Tapis die schwarze Kutte ab, um sich dann als Kind des Lichts dem strahlenden Osten zu nähern; deshalb begeht der VM keinen Tabubruch. Wenn der GM in Ausübung seines Amtes über den Tapis geht, verletzt er bewusst das Tabu, um zu zeigen, dass seine Macht alle Grenzen überschreitet.
Der Tapis der L AdF ist in seiner Konzeption und Gestaltung ein Werk der Gründungsmeister der L AdF. Die praktische Ausführung hat Br... Michael Rothmaier übernommen. Die Lederflecken haben Br... Rothmaier und Br... Steuer haben „Fetzenmüller“, einem Händler für Stoffreste und ähnliches in der Au in Kritzendorf besorgt.
Am Anfang der Planung stand die Frage, wie die Brr... den Tapis gestalten wollten, ob es ein „moderner“ oder ein „traditioneller“ Tapis werden sollte. Damals war es üblich, den Tapis künstlerisch modern zu gestalten. Nach Besichtigung verschiedener Teppiche wurde den Brr... schnell klar, dass es ein „traditioneller“ Tapis sein sollte.
Die Brr... entschieden sich für einen Wiener Tapis von 1780, der ersten Blütezeit der österreichischen Freimaurerei, der im Wien Museum aufbewahrt und ausgestellt ist, als Vorbild. Dieser Tapis wurde 1860 in einer verrosteten Eisenkiste beim Abriss der alten Stadtbefestigungen im Bereich der heutigen Oper gefunden. Dieser Tapis besteht aus Ziegenleder und Jute. Auf schwarzem Hintergrund sind die Symbole der FMei dargestellt.
Auf den ersten Blick ist die Anordnung der Symbole sehr ähnlich, bei genauem Hinsehen fallen doch Unterschiede auf. Die Brr... der L AdF haben sich für einen hellen, weißen, Hintergrund entschieden, die Applikationen sind farbig. Der Tapis im Wien Museum ist streng rechteckig, während der Tapis der L AdF den unregelmäßigen Rand einer Tierhaut hat. Die Mauer des Tempels auf dem Tapis von 1780 besteht aus schwarzen und weißen gleichschenkligen Dreiecken, während auf dem Tapis der L AdF die Mauer als festes Ganzes erscheint und dem Tapis erst die Form des länglichen Vierecks gibt. Auf dem Tapis von 1780 ist der Norden beschriftet, während die Brr... der L AdF auf die Kennzeichnung des Nordens verzichtet haben, weil im Norden die Sonne nicht scheint und daher im Norden kein Fenster ist.
Auf beiden Teppichen besteht das musivische Pflaster aus weißen und schwarzen gleichseitigen Dreiecken, auf welchen die beiden Säulen stehen. 7 Stufen führen zum Tempel, in die FMei. Der Tempel ist beide Male ausdrücklich nicht abgebildet sondern mit den Werkzeugen des Maurers symbolisch dargestellt.
Den größten Unterschied finden wir im Osten, im innersten Bereich. Sonne und Mond haben auf dem Tapis der L AdF im Vergleich zum Tapis von 1780 ihre Plätze getauscht. Diese Entscheidung der Brr... der L AdF hat gute Gründe. Der Mond soll ein zunehmender Mond sein als Symbol für das neue Leben, das mit der Aufnahme in den Bund der FMei begonnen hat. Steht die Sonne wie auf dem Tapis von 1780 im Nordosten und strahlt von dort den Mond an, so ist der Mond zwangsläufig im Stadium des Abnehmens, was bei der Konzeption des Tapis der L AdF vermieden werden sollte. Die gemeinsame Arbeit an der Konzeption des Tapis der L AdF hat das Verständnis von FMei unter den Gründungsmeistern gestärkt und wesentlich zur Identität der Loge beigetragen. Mit seiner klassischen Gestaltung ist er ein Hinweis auf eine Säule im Selbstverständnis der L AdF, das Ritual in seiner Substanz und seinem Inhalt ernst zu nehmen.

Leder

Jute, Ziegenleder
215 x 95 cm
Wien Museum
Da stimme ich gerne mit ein, toll wie gewohnt;)
Agnes
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fantastisch wie immer
herzlichen dank
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